Wiegenlied für den Nachtmahr – Reviews

Wiegenlied – Reviews

Das Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“ wurde im Frühsommer 2021, Pandemie-bedingt um ein halbes Jahr verspätet, auf Vinyl (Limited Edition) und digital veröffentlicht und fand eine positive Medienresonanz. Aufgrund des Lockdowns konnten nur wenige Live-Präsentationen stattfinden, u.a. in Villach, Klagenfurt, Wien und auf Schloss Lind in der Steiermark.

Unter der Flagge der Ambiguität

Den Künstler Klaus Karlbauer musikalisch einzuordnen, ist kein leichtes Unterfangen. Allein zu seinem neuen Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“ – bei dem der Künstler zwei Instrumente verwendet, Zither und Klarinette – hat er in den Kritiken eine ganze Liste von Genrezuordnungen gefunden. Darunter Singer Songwriter, Dark Ambient, Giallo Soundtrack, Filmmusik, Pathos, Gekippte Kammermusik, Meta-Americana, Free Jazz. Und genau diese Tatsache – nicht einordbar zu sein – gefällt dem sogenannten „Revoluzzer“.

Under the flag of ambiguity

Classifying the artist Klaus Karlbauer musically is no easy undertaking. For his new album “Wiegenlied für den Nachtmahr” alone – in which the artist uses two instruments, a zither and a clarinet – he found a whole list of genre classifications in the reviews. Including singer songwriter, dark ambient, Giallo soundtrack, film music, pathos, tilted chamber music, meta-americana, free jazz. And it is precisely this fact – not being classifiable – that pleases the so-called “revolutionary”.

Wieder die Zither – Markus Moser 

Wieder die Zither. Jener süßlich zirpenden Soundtrack-Lieferantin zum kollektiv-duckmäuserischen „Fein sein, beinander bleibn … treu sein, nit aussigraßn“ treibt Klaus Karlbauer die klebrige alpenländische Gemütlichkeit gründlich aus. Das tut er mit elektronischer Verzerrung und waghalsigen, radikal un-akademischen Spieltechniken schon seit Jahren. Aber derart gewaltig und tonnenschwer wie jetzt im Eröffnungsstück „My Rheingold“ hat das picksüße Zupfholz selbst bei ihm noch nicht geklungen. Karlbauer, der Zither-Autodidakt und -Autokrat, hat hier sämtliche Regler, die elektrischen wie die emotionalen, auf 10 gedreht. Dunkles Donnergrollen, das weit unten in die Magengrube geht, dröhnt zum Einstand. Und Wagner winkt uns von weitem durch. Na Grüß Gott. 

Doch schon im nächsten Stück mit dem treffenden Titel „Brighter Blue“ haben sich die Gewitterwolken verzogen. Virtuelle Vöglein jubilieren und Klaus Karlbauer spielt die Zither wie eine sehnsuchtsvoll winselnde Hawaii-Gitarre. Das ist schön. Und bewusst spitzbübisch als Antithese zum grollenden Opener hingesetzt. Denn musikalisch ist Klaus Karlbauer schon immer zwischen den Extremen unterwegs, ist er Raumfahrer und Tiefseetaucher zugleich. Scheinbar Gegensätzliches zieht ihn an. So finden sich in seinem Oeuvre purer Pop und kreischende Freejazz-Schübe, kammermusikalisch durchkomponierte Strecken, pulsierende Wall of Sounds und krachige Geräuschcollagen aus Originaltönen ganz selbstverständlich neben- und miteinander. 

Die kreativen Rollenspiele des Multimediakünstlers, Multi-Instrumentalisten und Multitaskers Karlbauer fußen auf der frühen Mitgliedschaft im gnadenlos bodenständigen Format einer Kärntner Trachtenmusikkapelle ebenso wie in später absolvierten Studien avancierter Klangfusionen am Institut für elektroakustische Musik der Wiener Musikuniversität. Dazu eine Prise Punk, eine Messerspitze Monk, ein Teelöffel Dada und, wohldosiert, auch gerne Weill. Klaus Karlbauers Schaffen oszilliert zwischen unterschiedlichen Angelpunkten und will sich keinesfalls „einordnen“ lassen. Wozu denn auch? Einfach zuhören.

Daher zurück zur neuen Platte „Lullaby for a Nightmare“: hier ist alles vorhanden, was den Karlbauer-Klang ausmacht. Ab der dritten Nummer „You Lost“ gesellt sich zur Zither auch Klaus Karlbauers zweites Leib- und Lebensinstrument hinzu: die Bassklarinette. Über breit verzerrte Klangschichten, vom Elektronikmusiker Leon Leder aka Asfast feinsinnig mitgestaltet, seufzt, keucht, näselt und brummt das tiefgelegte Gebläse in gewohnt virtuoser Manier. Wobei Karlbauer den „Virtuosen“ wahrscheinlich sogleich kategorisch zurückweisen wird. 

Als solchen mag er sich nämlich nicht sehen. Dafür kommt er zu sehr aus der postvirtuosen DIY-Kultur. Ein Bricoleur im Geiste des Philosophen Claude Lévi-Strauss (für alle, die das gerne nachschlagen möchten). Ein Praktiker und Erfinder, der so gut wie alle kompositorischen und technischen Problemstellungen mit gefundenen (siehe Zither) oder ohnehin bereits vorhandenen Materialien zu meistern vermag. Perfektion ist ihm suspekt, Improvisation hält er hoch. Bei den meist im Alleingang bestrittenen Aufnahmesessions im Wiener Proben- und Studiokeller strebt Klangforscher Karlbauer dann aber doch nach dem Optimum. Wie gut das gelingt, ist auf der neuen Platte wieder einmal zu überprüfen.

Dort begegnen wir dann noch dem Nachtmahr-Maler Füssli, der wohl Pate für den Albumtitel „Lullaby for a Nightmare“ stand. Es fließt rotes (Herz)Blut und auch der „Exodos“ wird verhandelt. Damit könnte in diesem Fall durchaus die antike griechische Tragödie gemeint sein. Die pure Fröhlichkeit ist Klaus Karlbauers Thema also nicht. War sie ohnehin noch nie. Dunkel schimmernde Perlen sind seine neuen Nummern eher. Denn ein Faktor im Schaffen ist ihm schon besonders wichtig: eine Art schattenhafte Schönheit. Diese zieht sich durch alle seine bisherigen Arbeiten und blitzt auch in den düstersten Momenten immer wieder durch. Sei es in der Melodieführung, im Arrangement oder im bisweilen verblüffend ergreifenden Zusammenspiel der klanglichen Kräfte. 

Denn unter uns. Eines ist Klaus Karlbauer bei all der oft lustvoll in die Irre ver-führenden Vielfalt seines Schaffens ganz klar: ein überzeugter, ein unverbesserlicher Enthusiast und Idealist. Ja genau, ein Romantiker. Ein wachsamer und kritischer freilich.

HERZ BLUTIG – Im Gasthaus zum unruhigen Schlummer

Wo die Elektro-Zither zetert: Der Musiker und Klangkünstler Klaus Karlbauer hat ein atmosphärisches „Wiegenlied für den Nachtmahr“ eingespielt.

Profil Stefan Grissemann (09.05.2021)

Angemerkt wie eine Rockgitarre pflügt sich die selbstgebaute Elektro-Zither durch zerzaustes Klanggelände: Der in Kärnten geborene, in Wien umtriebige Multiinstrumentalist und Multimedialdenker Klaus Karlbauer, sozialisiert in den 1980er-Jahren zwischen Experimentalfilm, Neuer Musik, Performancekunst und Avant-Popbetrieb ((etwa mit Wolfgang Mittlerer im gemeinsamen Bandprojekt Hirn mit Ei), neigt zu unkonventionellen Kompositionen. Sein jüngstes, wie gewohnt in Eigenregie veröffentlichtes Album, genannt „Wiegenlied für den Nachtmahr (digital ist es bereits verfügbar, als Vinylpressung soll es ab 20. Mai erhältlich sein), wird der von Heimo Zobernig gestalteten Cover-Antiidylle aus Erde, Laub und Altmetall gerecht. Karlbauers eigensinnige Musik ist mythologisch unterfüttert: „My Rheingold“ heisst der Opener, „Orpheus’ Complaint“ der Schlusssong. Dazwischen versunkene Klänge mit regelwidrig integrierter Bassklarinette, viel Meta-Americana und Ambient-Aura: Im Gasthaus zum unruhigen Schlummer wird man spätnachts noch mit leicht vertippter Kammermusik beschallt. Am Ende wird Pathos mobilisiert, ein Exodus fantasiert und Herzblut tragisch vergossen. So wird das Nachtgespenst gebannt und in den Schlaf gesungen: Das störrische Wiegenlied tut seine Wirkung.

KLAUS KARLBAUER – WIEGENLIED FÜR DEN NACHTMAHR

Musicaustria Michael Ternai (15. April 2021)

Es ist schon der etwas andere Musikentwurf, mit dem KLAUS KARLBAUER auf seinem neuen Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“ aufwartet. Und genau das macht es auch so interessant. Dunkel im Ton, experimentell und doch ungemein stimmungsvoll, der Multiinstrumentalist und Komponist hat einmal mehr einen Sound geschaffen, der einen vom ersten Moment an einzufangen weiß.

Klaus Karlbauer ist ein Künstler, der – wie seine Projekte zeigen – immer wieder neue musikalische Wege erkundet und sich dabei ein jedes Mal praktisch neu erfindet. Eine klare Linie in der stilistischen Ausrichtung lässt sich bei ihm eigentlich kaum festmachen, aber genau dieser Aspekt ist es auch, der sein Schaffen und seine Veröffentlichungen auch so spannend macht. Man weiß eigentlich nie wirklich, in welche Klangwelt der aus Kärnten stammende Multiinstrumentalist und Komponist sein Publikum als Nächstes eintauchen lässt. Sein neues Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“ stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Einmal mehr überrascht Klaus Karlbauer mit einem ungewöhnlichen musikalischen Zugang, mit einer Idee experimentellen Charakters, die wenig zu tun hat mit dem, was man musikalisch heutzutage sonst so geboten bekommt.

EIN KUNSTVOLLER DUNKLER KLANG

Die Grundidee Karlbauers lässt sich am besten so beschreiben, dass sein aus E-Zither, Bassklarinette, Bassgitarre und Elektronik bestehendes Instrumentarium in einem gänzlich neuen musikalischen Kontext neu aufgehen lässt. Eine Zither oder eine Bassklarinette, die tieftönige und krachige Drone- und Noise-Sounds produzieren, bekommt man wohl eher selten geboten. Aber nicht nur der erzeugte Klang ist ein ungewöhnlicher, auch das, was Klaus Karlbauer aus diesen macht, wie er sie in Stücke zusammenfasst, zeugt von einem hohen Grad an künstlerischer Eigenwilligkeit.

Was er entstehen lässt, ist Musik, die sich zwischen geheimnisvoller Ruhe und mächtig schwingenden Soundzuständen über spannungsgeladene Bögen entwickelt und dabei eine ungemein dichte und dunkle Atmosphäre entfaltet. Passend zu dieser Art Klang ist auch der Titel des Albums gewählt. Ein Nachtmahr ist ein Traumwesen, das sich in die Träume einschleicht und Emotionen wie Angst und Panik verbreitet. Und dieses beklemmende Bild findet auch in den Stücken seine akustische Übersetzung.

Klaus Karlbauer zeigt auch „Wiegenlied für den Nachtmahr“ einmal mehr sein Händchen für den interessanten und bildhaften Klang abseits des Gewöhnlichen. „Wiegenlied für den Nachtmahr“ offenbart sich als ein intensives und vielschichtiges Hörerlebnis, das, wenn es erst einmal einen erfasst hat, auch nicht mehr loslässt.

AKUSTISCHER AUSNAHMEZUSTAND 

Ö1 Leporello Gestaltung: Julia Baschiera (19. April 2021)

„Wiegenlied für den Nachtmahr“ – so heißt die neue Schallplatte des Musikers, Komponisten und Filmemachers Klaus Karlbauer. Nach zahlreichen dezidiert gesellschaftspolitischen Arbeiten der letzten Jahre widmet sich Karlbauer darauf nun dem Seelenleben. Klaus Karlbauer genoss gnadenlos bodenständige musikalische Frühbildung in einer Kärntner Blaskapelle, studierte später Querflöte und suchte schließlich Ergänzung zur hohen Tonlage seines Instruments. Mittlerweile zählen die Zither und die Bassklarinette zu den Leib- und Lebensinstrumenten des Musikers. Mit radikal un-akademischen Spieltechniken lotet Klaus Karlbauer auf seinem neuen Album musikalische und vor allem persönliche Grenzen aus und konfrontiert seine Hörerschaft mit einem akustischen Ausnahmezustand.

EIN WECHSELBAD DER ANGSTZUSTÄNDE – Klaus Karlbauer veröffentlicht »Wiegenlied für den Nachtmahr« Sandro Nicolussi (19. April 2021)

»Wiegenlied für den Nachtmahr« von Klaus Karlbauer bedeutet beklemmenden Sound, transportiert durch eine kreative Instrumentierung. Denkt man an düster verzerrte, experimentelle elektronische Musik von Drone bis Noise, sind es eher Gitarren, Synthesizer oder Bässe, die durch eine Armada an Effektpedalen zu unrühmlichen Übersteuerungen getrieben werden. Zither oder Bassklarinette sind in dieser Assoziationskette für gewöhnlich wohl eher weiter hinten angesiedelt. Klaus Karlbauer verbindet auf dem Album »Wiegenlied für den Nachtmahr« eine ungewöhnliche Instrumentierung mit düsteren Klängen, was unerwartet gut funktioniert.

Nachtmahr ist eine mittlerweile veraltete Bezeichnung für ein Wesen, das heutzutage namensgebend für die eher düstere Seite des nächtlichen Kopfkinos steht. Im Albtraum – oder, Überraschung, nightmare – erscheint der Nachtmahr oft in düsterer Gestalt, um sich fesselnd auf der Brust paralysierter Träumer*innen niederzulassen. Das zehn relativ kurze Tracks umfassende Album hält diese Erwartung stabil. Mit dem Opener »My Rheingold« werden jedenfalls gleich zu Beginn alle Weichen auf Krach gestellt. In dieser Intensität weiterzumachen, wäre für Hörer*innen genauso eine Herausforderung, wie es für den Komponisten eine gewesen wäre. Denn um bei derartigen Fluten musikalischer Gewalt am Ball zu bleiben, müssen die Ideen herausragend sein.

ZARTE LICHTSCHIMMER IN DÜSTERER VERZERRUNG

Das Album kommt fast gänzlich ohne Stimme aus, fesselt aber dennoch. Lediglich die Schlussnummer »Orpheus’ Complaint« weist eine längere zusammenhängende Vokalpassage auf, die nach dem restlichen Stücken fast schon entbehrlich und ein bisschen kitschig wirkt. Teils haben die brachialen Gewitter zuvor nämlich eine beklemmende Wirkung, etwa beim unmissverständlich betitelten Track »Blood«. Angenehm sind dabei die zwischengelagerten Auflockerungen, die es erst möglich machen, diese Veröffentlichung im Ganzen durchzuhören, ohne sich in einem Wahnzustand wiederzufinden. Insgesamt ist die Reise durch das Album eine intensive und von Brüchen und Wechseln gekennzeichnete, die trotz mancher Filmmusik-Vibes den Eindruck hinterlässt, selten zuvor Vergleichbares gehört zu haben.

Radaubrüder und eine Schwester des Düsterordens – Gerhard Stöger

FEUILLETON, FALTER 18/21 VOM 05.05.2021

Das Konzeptwerk „Wiegenlied für den Nachtmahr“ (Karlbauer Records) von Klaus Karlbauer wiederum ist digital sowie ab Mitte Mai als Schallplatte mit einem von Heimo Zobernig gestalteten Cover zu haben. Seiner elektronisch verstärkten und durch Bearbeitung verfremdeten Zither gewinnt der österreichische Multimediakünstler unterschiedlichste Stimmungen ab; in Kombination mit Bassklarinette entsteht der fiktive Soundtrack für einen dystopischen Film, dem Hoffnung und Romantik aber keineswegs fremd sind.

Album-Präsentation Die Wiegenlieder des Klaus Karlbauer

Was der Komponist und Musiker Klaus Karlbauer seinen Instrumenten entlockt, ist immer wieder überraschend. Seine Platte „Wiegenlied für den Nachtmahr“ ist aber ein kleines Meisterwerk. Von Harald Schwinger/ KLEINE ZEITUNG | 07. Juni 2021

Es ist ein sehr eigenwilliges musikalisches Projekt, das der Villacher Multi-Instrumentalist und Komponist Klaus Karlbauer da auf seine jüngste Schallplatte mit dem Titel „Wiegenlied für den Nachtmahr“ gepresst hat. Einmal mehr beweist er hier mit zehn Kompositionen musikalischen Eigensinn und sorgt für intensive und außergewöhnliche Hörerlebnisse. Und das mit einer instrumentalen Besetzung, wie man sie wohl auch nicht alle Tage geboten bekommt. Wie schon der Titel des Albums erahnen lässt, führt die Hör-Reise eher in ein düsteres, dunkles und vielleicht mitunter fast beklemmendes klangliches Experimentierfeld. Was umso spannender ist. Hat man doch den Eindruck, dass die Freude am Experimentieren und der Mut am Erzeugen von Klängen und Tönen abseits des Gewohnten etwas verloren gegangen ist. Aber Karlbauer muss sich auch gar nicht verbiegen. Denn für das Album hat er nicht nur alle Nummern selbst komponiert und sie in seinem eigenen Wiener Studio (Karlbauer Records) produziert, er hat auch alle Instrumente selbst eingespielt. Womit wir schon beim nächsten Punkt sind, der das Album so spannend macht. Karlbauer vermixt Elektro-Zither, Bass-Klarinette, Bassgitarre und Elektronik zu schwermütigen, hämmernden, krachigen und dann wieder äußerst melodiösen Klangteppichen und entführt den Hörer damit in eine dichte und eindringliche Atmosphäre, fast möchte man sagen, in eine klangliche Parallelwelt, die wohl bei jedem eigene Bilder und Assoziationen zum Leben erwecken.

Wiegenlied für den Nachtmahr – Neues Karlbauer-Album

ORF ON Gerald Heidegger (25. Juni 2021, 13.55 Uhr)

Der aus Kärnten stammende Multiinstrumentalist und Komponist Klaus Karlbauer ist ein Künstler, der immer wieder neue musikalische Wege erkundet und sich dabei stets neu erfindet. Karlbauer liebt das Experimentelle, und das zeigt er in seinen Projekten wie auch in seinem neuen Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“.

Der Kärntner Revoluzzer Klaus Karlbauer

Ö1 INTRADA Daniela Knaller (26. Juli 2021)

Das neue Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“ zeigt Kontraste.

Klaus Karlbauer ist ein Künstler, der immer wieder neue musikalische Wege erkundet und sich dabei stets praktisch neu erfindet. Der, 1960 in Villach geborene, Multiinstrumentalist und Komponist liebt das Experimentelle und das zeigt er in seinen Projekten, wie seinem neuen Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“.

MUSIK IM UMBRUCH

„Nachtmahr“ ist eine mittlerweile veraltete Bezeichnung für ein Wesen, das heutzutage namensgebend für die eher düstere Seite des nächtlichen Kopfkinos steht. Dementsprechende Klänge erwarten einen auf dem Album, das ausschließlich als VINYL und digital auf allen gängigen Plattformen von Spotify bis Apple Music erhältlich ist. Man könnte meinen, der ideale Soundtrack für den Lockdown. Fertig gestellt wurde das Album jedoch bereits vor der Coronapandemie, als sich der Künstler in einer großen Umbruchsphase befand. Nach 30 Jahren ist seine Ehe auseinandergegangen.

Dunkles Donnergrollen dröhnt zu Beginn des Albums mit dem Titel „My Rheingold“. Zu Richard Wagner pflegt Karlbauer eine lebenslange Hassliebe. Im zweiten Stück spielt Klaus Karlbauer die Zither sehnsuchtsvoll wie eine Hawaii-Gitarre. Klaus Karlbauer dazu:

Es muss diesen Kontrast aushalten. Es wird erst ab einer gewissen Ambiguität künstlerisch interessant. Alles, was eindeutig ist, interessiert mich überhaupt nicht.

UNTER DER FLAGGE DER AMBIGUITÄT

Den Künstler Klaus Karlbauer musikalisch einzuordnen, ist kein leichtes Unterfangen. Allein zu seinem neuen Album „Wiegenlied für den Nachtmahr“ – bei dem der Künstler zwei Instrumente verwendet, Zither und Klarinette – hat er in den Kritiken eine ganze Liste von Genrezuordnungen gefunden. Darunter Singer Songwriter, Dark Ambient, Giallo Soundtrack, Filmmusik, Pathos, Gekippte Kammermusik, Meta-Americana, Free Jazz. Und genau diese Tatsache – nicht einordbar zu sein – gefällt dem sogenannten „Revoluzzer“.

SATT UND TIEF 

DIE BRÜCKE Tina Perisutti (01. August 2021)

Das Saiteninstrument lässt keinen Moment zum Durchatmen, beherrscht vibrierend den Hintergrund, der mehr Untergrund ist und alles bis ins Letzte ausfüllt. Die Untiefen ergeben sich nach und nachuni bieten nur kurze Erholung durch helle Klänge, denn der Nachtmahr setzt sich dort fest, wo sich die unaussprechlichen Ängste manifestiert haben. Das Unheimliche bekommt bei Klaus Karlbauer einen musikalischen Ausdruck, der sich weitläufig ausbreitet, um sich über die Gehörgänge zu graben, um sich im ganzen Körper festzusetzen und nach weiteren durchaus hoffnungsvollen Gefühlszuständen zu suchen. In elektronischer Bearbeitung ergänzen sich Zwitter mit Bassklarinette, generieren Hörebenen, die einem bekannt vorkommen und dennoch unerwartet ins Ohr fließen. Auf mehreren Ebenen wälzen sich die fein gesponnenen, mit fettem Timbre durchzogenen, Klangebenen in einer verlässlichen und fesselnden Grundstimmung, dringen in den Raum ein, um ihn auszufüllen, darin zu verharren und nachzuschwingen. Schaurig unheimlich schön und fesselnd.